Architektur kann man offenbar doch tanzen und Musik trotz Monks Axiom wohl auch erklären. Ich möchte Sie auf eine kleine Reise mitnehmen, um zu zeigen, wie die beiden Künste aus Sicht eines Architek- ten untrennbar zusammenhängen. Keine ambitionierte Konzerttätigkeit ohne Konzertsaal – sehen wir einmal von gelegentlichen Platzkonzerten ab. Doch was sind das für Häuser, diese Konzerthäuser? Sie ent- stehen, wie andere Bauten, im Austausch von Bauherr*innen und Architekt*innen. Aber hier, bei dieser speziellen Bauaufgabe, kommen Musiker*innen, Komponist*innen und Akustiker*innen als unverzichtbare Partner hinzu.
Für mich ist Hans Scharoun (1892–1972) ein herausragender Meister dieses Metiers. In Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Herbert von Karajan (1908–1989) gelang es ihm, das prototypische Konzerthaus unserer Epoche zu bauen, die Berliner Philharmonie (1963). Auf deren Schultern steht noch die 2017 eröffnete Elbphilharmonie von Jacques Herzog (* 1950) und Pierre de Meuron (* 1950). Scharoun war ein musikalisch gebildeter Mensch. Er verglich seine Werke gern mit Musik. Er sprach von Symphonien aus Raum, Material, Farbe und Licht, durch die man sich bewege. Das von Scharoun entwickelte Konzept war 1963 revolutionär, beispiellos. Dabei war es doch nur die konsequente Umsetzung seines Prinzips „Musik im Mittelpunkt“. Der Raumklang wurde in engster Abstimmung mit dem Akustiker und Elektrotechniker Lothar Cremer (1905–1990) gelöst.
Schauen wir auf die andere Seite der Welt, begegnet uns ein ebenfalls großartiger Architekt, dessen Projekt kosten- und zeitmäßig völlig aus dem Ruder lief. Doch es steht heute für Konzertkultur, für Sydney als Stadt und für Australien als Staat. Ein Konzerthaus als Symbol eines Kontinents! Da sind auch Bauzeit und Kosten verschmerzbar. Die Sidney Opera Jørn Utzons (1918–2008) ist das emblematische Bespiel für das skulpturale Verständnis eines Konzerthauses. Sie ist eine Stadt in der Stadt. Nach 14 Jahren Bauzeit stehen dort seit 1973 rund 100 Räume zur Verfügung: zahlreiche Konzertsäle, fünf Probestudios, ein Kino, 60 Umkleideräume, vier Restaurants, sechs Bars und zahlreiche Andenkenläden.
Um den kleinen Reigen bemerkenswerter Konzerthäuser abzuschließen, möchte ich kurz auf das Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth eingehen. Architektonisch handelt es sich keineswegs um ein Meisterwerk. Aber die Tatsache, dass es in den Jahren 1872–75 von Otto Brückwald (1841–1917) nach Entwürfen des Komponisten Richard Wagner (1813–1883) errichtet wurde, ist mehr als bemerkenswert. Dieses Haus ist nur für einen einzigen Klang gebaut, eben denjenigen, den Wagner erschaffen hatte und dort hören wollte. Dieses Haus ist daher eher als Klangkör- per im Sinn eines Musikinstruments zu verstehen.