Sie werden in unserem Konzert die Alt-Rhapsodie von Brahms singen – ein Werk, in dem Goethes Gedicht Harzreise im Winter musikalisch umgesetzt wird. Wie gelingt es Brahms, die Stimmung von Goethes Gedicht in seine Komposition zu übertragen?
Brahms hat eine einzigartige Fähigkeit, Text in Musik zu verwandeln, und das zeigt sich in der Alt-Rhapsodie ganz besonders. Die dunkle, suchende Stimmung von Goethes Versen spiegelt sich in der tiefen, oft melancholischen Orchesterfarbe wider. Die chromatische Harmonik, die drängenden Linien und die sehnsuchtsvollen Wendungen der Singstimme machen die innere Zerrissenheit der lyrischen Figur spürbar. Erst mit dem Einsatz des Chores verwandelt sich diese Einsamkeit in eine Art Trost – ein wunderschönes Beispiel für Brahms’ feines Gespür für emotionale Tiefe.
Sehen Sie in diesem Werk besondere Herausforderungen – sei es vokal, interpretatorisch oder emotional?
Ja, die Alt-Rhapsodie ist ein Werk, das von der Sängerin große Ausdruckskraft und gestalterische Sensibilität verlangt. Vokal ist es herausfordernd, die langen, fließenden Linien mit der nötigen Tragfähigkeit zu gestalten, ohne dass die Intensität darunter leidet. Interpretatorisch ist die Balance zwischen innerer Verzweiflung und der späteren hoffnungsvollen Wendung eine spannende Aufgabe. Emotional ist das Werk besonders berührend, weil es so tief in die Seelenlandschaft eines verzweifelten Menschen eintaucht – und genau das macht es für mich so faszinierend.
Sie haben sich auf den Konzertgesang vom Barock bis hin zu zeitgenössischer Musik spezialisiert. Was hat Sie an dieser Ausdrucksform besonders gereizt, und welche künstlerischen Freiheiten oder Herausforderungen sehen Sie darin im Vergleich zur Oper?
Der Konzertgesang bietet mir eine ganz besondere künstlerische Freiheit. Während die Oper stark durch szenische Vorgaben geprägt ist, liegt im Konzert die gesamte Ausdruckskraft in der Musik und im Text selbst. Das erfordert eine andere Art der Gestaltung – alles muss über die Stimme, die Phrasierung, die Klangfarben vermittelt werden. Gleichzeitig empfinde ich die enge Verbindung zum Orchester oder Ensemble als etwas sehr Besonderes. Im Konzertgesang geht es oft um eine tiefere, unmittelbarere musikalische Kommunikation, und diese Vielseitigkeit, von Barock bis zur Moderne, empfinde ich als große Bereicherung.