Erinnerungen aus der Spielzeit 1970/71: das Sonderkonzert mit Mstislaw Rostropowitsch

Eginhard Teichmannn (von 1965 bis 2001 Cellist im Nationaltheater-Orchester, Vorsitzender der Musikalischen Akademie 1989-99 und 2001-2003, Ehrenmitglied seit 2003) erinnert sich an das Sonderkonzert der Spielzeit 1970/71, als der Ausnahmecellist Mstislaw Rostropowitsch als Solist mit dem Nationaltheater-Orchester Mannheim gastierte.
 
Eugen Jochum, Helmut Heller,
David Oistrach
 
In der Probenpause konnte ich in der Kantine nicht nicht nur einige Fotos von diesem großen Künstler machen, sondern erfuhr auch etwas über das, was „Slava“ – so wurde Rostropowitsch von seinem deutschen Agenten Rudolf Vedder genannt – in den letzten Tagen hatte erleben müssen.

Als Rostropowitsch am 31. Oktober schon abflugbereit auf dem Moskauer Flughafen stand, bekam er seinen Pass nicht ausgehändigt, sondern wurde aufgefordert, wieder nach Hause zu fahren. Schon am folgenden Morgen erhielt er einen Anruf, dass er jetzt nach Deutschland fliegen könne. Das war eine typische Schikane des sowjetischen Machtapparates, die ihm zeigen sollte: Wir nehmen es nicht so einfach hin, dass du Gegner unseres Systems bei dir aufnimmst, und wir bestimmen, ob und wann du beruflich in das kapitalistische Ausland reisen darfst.

Also packte er am Morgen des 1. November ganz schnell wieder den bereits ausgepackten Koffer, vergaß aber dabei, den Rasierapparat und die Frackjacke mit einzupacken. Einen Rasierer hatte Rudolf Vedder inzwischen gekauft, und für den Kauf einer Frackjacke wollte Fritz Bunge nach der Probe mit Rostropowitsch zum damals besten Bekleidungshaus Mannheims „Engelhorn & Sturm“ gehen, dessen Chef er persönlich kannte.

Der zweite Teil der Probe mit dem Cellokonzert a-Moll von Schumann verlief problemlos, und so freuten wir uns auf das erste Konzert in der Stadthalle von Landau. Auf der gemeinsamen Busfahrt nach Landau erfuhren wir dann, wie der Kauf der Frackjacke verlaufen war: Bunge und Rostropowitsch gingen zu Fuß zu „Engelhorn & Sturm“. Bunge verlangte, den Chef zu sprechen, und stellte ihm Mstislav Rostropowitsch als weltberühmten Cellisten und Solisten der beiden nächsten Konzerte vor. Rostropowitsch hatte seine Frackhose mitgenommen, damit er zu dieser Hose eine möglichst passende Jacke kaufen konnte. Als Herr Engelhorn diese Hose sah, soll er angemerkt haben, dass sein Bekleidungshaus zu einer solch schäbigen Hosen keine passende Jacke habe. Aber Herr Rostropowitsch dürfe sich einen passenden Frack aussuchen, den werde er ihm schenken. Nach der Anprobe sei Rostropowitsch von diesem Geschenk so begeistert gewesen, dass er noch einen gleichen zweiten Frack kaufte, damit einer immer in Moskau und der andere immer im Koffer bleiben könne.

Beide Konzerte waren ein großer Erfolg, nicht nur für Rostropowitsch, sondern auch für unser Orchester. Allerdings hätten wir den berühmten Cellisten am ersten Abend kaum wiedererkannt, denn er war am Nachmittag noch beim Friseur gewesen, der ihn fast kahl geschoren hatte.

Schon 1971 war Rostropowitsch beim sowjetischen Regime wieder in Ungnade gefallen, weil er in einem offenen Brief an verschiedene Zeitungen seine Hilfe für Alexander Solschenizyn und dessen Beherbergung verteidigt hatte. Daher durfte Rostropowitsch ab 1971 nicht mehr ausreisen und bekam fast nur noch Engagements in der russischen Provinz. Nach weiteren Konflikten mit der Regierung verließen er und seine Familie die Sowjetunion, die ihnen daraufhin die Staatsbürgerschaft entzog.

Das nächste auch von GMD Hans Wallat geleitete Sonderkonzert mit Rostropowitsch fand im November 1974 im Mozartsaal des neuen Rosengartens statt.

Rostropowitsch lebte mit seiner Familie inzwischen bereits in den USA, hatte sich ein wertvolles Cello für 750 000 $ gekauft und erzählte uns, dass er nun viele Konzerte geben müsse, um das Cello zu bezahlen.
Text und Bilder von Eginhard Teichmann
 
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